Es ist mehr als 12 Jahre her und ich erinnere mich gelegentlich noch daran, dass ich damals eine einmalige Chance nicht wahrgenommen habe, weil es mir an Mut gefehlt hat. Ich hatte ein Jahr zuvor meinen Vorstandsposten in einem IT-Unternehmen verlassen und gerade eine Ausbildung zum zertifizierten Coach absolviert.
Eine Kollegin aus der Ausbildung hatte mich an einen Veranstalter, der hier in Deutschland einen der ersten Frauenkongresse machte, weiterempfohlen. Mehrmals hatte ich mit Herrn Müller, dem Initiator, telefoniert und mich immer wieder geziert. Er wollte mich unbedingt für den Kongress gewinnen: „Ihre Geschichte ist interessant. Ich bin überzeugt, dass ganz viele Teilnehmerinnen Mut aus ihrem Weg schöpfen werden. Wir erwarten zwei- bis dreihundert Frauen.“ Er bot mir sogar unterschiedliche Formate an: Vortrag auf der Hauptbühne und Teilnahme an der Podiumsdiskussion, oder auch nur eins von beiden, wie ich wollte. Doch ich habe mich weiter geziert. Wollte dies noch wissen und hatte da Bedenken. Ach ja, und außerdem kam ich da gerade aus meinem Kanada-Urlaub zurück und dann war auch schon der Kongress. Kurz und gut: Ich habe abgesagt und diese Chance an mir vorbei ziehen lassen. Herr Müller war sehr enttäuscht und hat sich auch nie wieder bei mir gemeldet.
Als ich Nein gesagt hatte, war ich erstmal erleichtert. So musste ich im Urlaub nicht die Rede vorbereiten und konnte einfach die Seele baumeln lassen. Doch dieses Gefühl der Erleichterung hielt nicht lange an. Als ich mit meinem Coach darüber gesprochen habe, was ich tun könne, um selbst als Coach sichtbarer zu werden, habe ich so nebenbei erzählt, dass es da eine Gelegenheit gegeben hätte, von meinem Weg zu erzählen, mir die Veranstaltung aber irgendwie nicht geheuer war. Mein Coach hat mich einigermaßen fassungslos angeschaut, um es freundlich auszudrücken, um mir dann klar zu machen, welch tolle Chance ich da habe sausen lassen. Beim genaueren Hinsehen war dann klar, wieso ich einen Rückzieher gemacht hatte: Ich wusste schlicht und ergreifend nicht, wie ich so einen persönlichen Vortrag machen sollte. In der Vergangenheit hatte ich es immer nur mit Fachpublikum und Fachthemen zu tun gehabt und habe nie über mich selbst gesprochen. Ich hatte Angst, mich zu blamieren. Meine Bedenken und mein Urlaub waren nur Ausreden und sonst nix.
Jede angenommene Herausforderung stärkt das Selbstvertrauen
Aber ein Gutes hatte meine Absage: Ich habe daraus gelernt. Immer wenn eine Herausforderung oder etwas Neues ansteht, denke ich an die Situation von damals und dann gebe ich mir einen Ruck und sage Ja.
Ich habe mittlerweile sehr viele Vorträge gehalten, in denen ich meine Geschichte mit einfließen habe lassen. Als ich damit angefangen habe, waren sie alles andere als perfekt. Die Vorträge waren teilweise holprig, die Story noch nicht rund und ich oft sehr aufgeregt. Aber ich habe mich getraut. Und jeder Vortrag hat mich gestärkt und stolz gemacht. Mutig zu sein ist wohl die Eigenschaft, die am meisten belohnt wird – vor allem mit Zufriedenheit, Glückseligkeit, Stolz und letztendlich mit mehr Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen.
Heute, 12 Jahre später, kann ich auf unzählige Situationen zurückblicken, die mir Respekt eingeflößt hatten, von denen ich im Vorfeld gedacht hatte: Wieso tue ich mir das an? Kann ich das überhaupt? und die mich auch schon mal schlaflose Nächte gekostet haben. Doch all diese Herausforderungen, diese Momente und Augenblicke, haben mich wachsen lassen, manchmal auch über mich hinaus. Sie haben mich geformt, verbessert und selbstbewusster gemacht. Ich habe gelernt, dass Mut immer belohnt wird.
Übrigens meine ich mit mutig sein, nicht leichtsinnig sein oder sich sorglos in ein Abenteuer zu stürzen – denn Mut ist nicht das Gegenteil von Angst, sondern Mut ist, trotz Angst den nächsten Schritt zu gehen. Sich manchmal nicht so wichtig zu nehmen, die Gefahr einzugehen, sich vielleicht zu blamieren, aber sich trotzdem rauszutrauen aus der Komfortzone.
Deshalb rufe ich Ihnen zu: Trauen Sie sich, es misslingt viel weniger als Sie glauben. Denn eine Erfahrung habe ich auch gemacht: Wenn ich dann Ja gesagt habe, war das nicht nur ein Ja, sondern ein Commitment und ich habe mich auf die anstehende Sache sehr gut vorbereitet und mein Bestes gegeben. Und wenn es dann nicht ganz so gelungen ist, wie ich mir das vorgestellt hatte, dann gab es wenigstens was zu schmunzeln und die Erkenntnis, dass man nicht stirbt, nur weil man sich blamiert.
Sagen Sie erst JA und dann reicht es immer noch, wenn Sie schiss kriegen. Mit jedem Ja kommen Sie der ersten Reihe näher – und in jedem Fall bewahrt es Sie davor, später mal zu sagen: „Hätte ich doch nur…“
Schreiben Sie mir, wenn Sie mögen, wo Sie mutig waren und was das mit Ihnen gemacht hat. Ich freue mich, wenn Sie Ihre Erfahrung mit mir teilen.
Ihre Silvia Ziolkowski