Halloween lässt grüßen: Geisterstunde im Kollegenkreis.
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Freitagnachmittag Marketingbesprechung. Es geht um die Vermarktungsstrategie der neuen Designserie, die schon längst überfällig ist. Es ist 14.55 Uhr, Gudrun Genau ist schon da. Sie ist wie immer die Erste. Kurz nach 15.00 Uhr und etwas in Eile erscheint der Chef Walter Wichtig und kurz nach ihm die Marketingverantwortliche Klara Kreativ. Wie so oft fehlt Günter Gemütlich. Ein wenig außer Atem, aber fröhlich, erscheint er um 15.10 Uhr. „Tschuldigung, das Gespräch mit der Huber hat etwas länger gedauert, war aber super wichtig und außerdem habe ich meiner Familie versprochen heute nicht zu spät nach Hause zu kommen.“
„Mensch Gemütlich, super wichtig ist unser Meeting hier und sonst gar nichts. Lassen Sie uns endlich starten.“ Blafft der Chef ihn etwas gereizt an. Gekränkt und eingeschnappt setzt er sich. Gudrun Genau startet sofort mit ihren Recherche-Ergebnissen und meldet ihre Bedenken hinsichtlich der Höhe des Budgets an. Klara Kreativ unterbricht sie. Redegewandt, wie sie ist, dreht sie all ihre Punkte ins Gegenteil um und gewinnt den Chef für ihre Sicht der Dinge.
„Aber die Argumente liegen doch auf dem Tisch…“, beginnt Frau Genau nochmal anzuheben. Kreativ wirft ihr Fantasielosigkeit vor. Gemütlich geht dazwischen und versucht, alle wieder etwas zu beruhigen. …
Ob das Meeting ein Erfolg wird oder ergebnislos zu Ende geht hängt davon ab, ob sich die unterschiedlichen Ansichten befruchten oder ob sich jeder in seine Sicht der Dinge verbeißt.
Vielleicht kennen Sie solche Situationen auch? Mir begegnen sie häufiger bei meinen Kunden. Gerade kürzlich war in einem Unternehmen wieder ein ähnlicher Fall aufgetreten. Ein neuer Mitarbeiter, der von der Geschäftsführung den Auftrag hatte, die IT-Abteilung zu strukturieren, eckte nur an. Es war nicht möglich an die Kollegen heran zukommen. Alle seine Vorschläge wurden abgelehnt und Auskunft kriegte er schon gar keine mehr. Ein handfester Konflikt bahnte sich an, der beide Seiten viel Kraft kostete. Selbst die Geschäftsleitung wusste keinen Rat mehr, denn offene Ablehnung und gegenseitige Beschuldigung machten eine Zusammenarbeit zunehmend schwierig. Was tun…
In einem Workshop haben wir uns die Typen der einzelnen Beteiligten genauer angesehen und schnell herausgefunden dass der „Neue“ sehr detailorientiert ist, gerne planerisch vorgeht und alles genau verstehen will. Seine Kollegen, alles Entwickler, sind durchwegs „kreative Chaoten“ die machen wollen. Die gegenseitige Annahme: „Der andere will mir nichts Gutes.“ Und schon war es passiert, statt miteinander zu reden um zu verstehen, mutierten die Beteiligten, passend zu Halloween, zu Monstern.
Vielleicht ist es Ihnen sogar selbst schon mal passiert, dass Sie mutiert sind, weil Sie nicht verstehen konnten, wieso Ihr Gegenüber so uneinsichtig ist? Das Monster in uns zeigt sich meist, wenn die Zusammenarbeit nicht klappen will, so wie in meinem Beispiel oben. Auch wenn es recht stressig wird oder wir uns unter Druck fühlen, dann schützen wir uns damit. Dann wird die Haut dünn und wir gehen in den „Autopiloten“. Heißt, wir denken nicht mehr viel. Das Kommando übernimmt unser Reptiliengehirn. Und das befiehlt: Pass auf Dich auf, schütze Dich und geht in den Flucht- oder Angriffsmodus. Unser inneres Monster zeigt sich – manchmal in seiner reinsten Form – und die ist ganz abhängig davon welcher Typ wir sind.
Lesen Sie bitte mit Augenzwinkern weiter, ich übertreibe jetzt um die Typen zu charakterisieren.
Das Kümmelspalter-Monster:
Neben ihm wird es schon mal kalt. Er wirkt steif und emotionslos und ist dabei oft wortkarg. Er glaubt erst mal gar nichts und hinterfragt solange, dass uns schon fast der Geduldsfaden reißt. Sogar vermeintliche Nebensächlichkeiten verfolgt er pedantisch und ist bekannt dafür, auch die dritte Stelle hinterm Komma 3x zu überprüfen. Klaren, pragmatischen Lösungen steht er in dem Zustand nicht aufgeschlossen gegenüber und will ganz auf Nummer sicher gehen. Er wirkt oft umständlich und mit seinem Hang zum Perfektionismus dauert alles sehr lange. Lassen Sie Ihn in Ruhe. Wenn er so drauf ist, kommen Sie eh nicht an ihn heran.
Das Wichtigtuer-Monster:
Ohne ihn geht gar nichts. Er steht gerne im Mittelpunkt, weiß selbstverständlich wo es lang geht und wenn man da nicht derselben Meinung ist, dann hat man leider Pech gehabt. Am besten geht man ihm aus dem Weg, wenn er mutiert; denn dann geht er leicht in die Luft und blafft die anderen an. Er wirkt in dem Zustand ziemlich gefühllos und ist alles andere als tolerant. Hat er eben noch diese Meinung vertreten, so ist er in der nächsten Minute ganz anderer Meinung. Versuchen Sie in dem Zustand nicht, mit Ihm zu diskutieren. Seine Rechthaberei macht es unmöglich.
Das Flurfunk-Monster:
Er muss allen mitteilen, wie es ihm geht und hält die anderen von der Arbeit ab. Man findet ihn oft in der Kaffeeküche, wo er uns mit wichtiger Miene die neuesten Dinge anvertraut. Ihm ist schwer beizukommen, weil er es immer gut meint. Er wirkt oft überlastet und trägt die Sorgen der ganzen Firma auf seinen Schultern. Auf Veränderungen reagiert er stur und unflexibel. Er fährt gerne die Vermeidungsstrategie und schiebt die Arbeit weiter. Meist begleitet von Seufzern, weil alles viel zu viel ist. Er macht uns wahnsinnig, da er sich nicht entscheiden kann und schnell beleidigt ist. Ihm gibt man am besten kein Futter für Tratscherei, weil es sonst eh bald die ganze Firma weiß. Alles in bester Absicht, versteht sich.
Schauen Sie sich doch nochmal unsere Anfangsgeschichte an: Haben Sie schon erkannt, wer sich hinter welchem Monster verbirgt? Bei all der Unterschiedlichkeit passiert es schnell, dass wir aus unserer Sicht heraus den anderen nicht verstehen und schon stecken wir fest. Wie die Mitarbeiter meines Kunden. Die Chance die im Konflikt bei meinen Kunden steckte, war es, genauer hinzusehen und wahrzunehmen wo die Stolpersteine liegen und welche Möglichkeiten es gibt sie in Zukunft zu vermeiden. Es hat ganz viel Erleichterung bei den Beteiligten gegeben als klar war, wer welche Präferenzen und Bedürfnisse hat. Der neue Kollege der immer alles ganz genau verstehen will, will nicht nerven sondern tickt so, und hilft damit Fehler zu vermeiden. Gemeinsam haben die Beteiligten vereinbart, was sie in Zukunft voneinander brauchen um gut zusammenarbeiten zu können.
Und hier verbirgt sich auch das Geheimnis. Denn wenn wir wissen was der andere für ein Typ ist, dann können wir Konflikte abkürzen und sehen die Chance die sich dahinter verbirgt.
Heute ist Haloween – als welches Monster wollen Sie sich verkleiden?
Versuchen Sie es ruhig mal mit Übertreibung; dann ist es relativ einfach, sich und den anderen Typus zu erkennen. Wenn Sie es dann schaffen, auf die Zwinkerebene zu gehen, und die Verkleidung zu lupfen, dann wissen Sie auch, wie Sie mit dem anderen umgehen können:
- Nehmen Sie den Kümmelspalter ernst. Er braucht Ordnung und liebt planerisches Vorgehen.
- Lassen Sie dem Wichtigtuer seine Freiheit. Er schätzt eine inspirierende Umgebung, die ihn herausfordert.
- Geben Sie dem Flurfunk-Monster Sicherheit und das Gefühl, dass er gebraucht wird.
Wenn Sie zu Halloween allerdings so richtig schöne Monster haben wollen, dann interpretieren Sie munter drauf los. Fragen Sie Ihren Kollegen auf keinen Fall, wie er das gemeint hat, und geben Sie lieber keine Infos weiter. Sprechen Sie auch nicht positiv von Ihren Kollegen – das würde höchstens die Monster vertreiben und aus wärs mit der Geisterstunde.
Entfernen Sie die Spinnweben
Keine Lust dazu? Dann versuchen Sie es anders herum und machen aus der Geisterstunde eine Happy Hour. Sprechen Sie nur gut über Ihre Kollegen, auch wenn nicht alles bestens ist. Entfernen Sie die Spinnweben und werfen Sie einen Blick hinter die Fassade:
„Ja, Gudrun Genau ist für mich sehr anstrengend, aber ich schätze ihre Gründlichkeit und das ich mich 100% auf sie verlassen kann.“
„Ja, der Gemütlich ist ein Vielredner, aber für das Team ist er eine wichtige Anlaufstelle.“
„Ja, Klara Kreativ ist eine Wichtigtuerin, aber ihre Ideen und ihr Mut bringen uns nach vorne.“
Helfen tut uns dabei die Zwinkerebene von oben. Und die sagt: „Nimm Dich nicht so wichtig. Du weißt es, und der liebe Gott weiß es auch – einer von Deiner Sorte ist genug. J“
Lassen Sie es nicht zu dass die Geisterstunde zu lange andauert. Für heute wünsche ich Ihnen allerdings munteres gruseln.
Der Beitrag ist entstanden für die Blogparade von Christina Wenz. Mit dem Titel: „Konflikte als Chance“. Danke an die Initiatorin, ich habe gerne mitgemacht. Es ist ein wichtiges Thema das uns täglich begegnet.